Wissen wir noch, was es zu wissen lohnt? Wollen wir überhaupt noch etwas wissen, oder nur noch etwas werden? (2016)
„Unser Planet leidet an zu viel Linearität“ meinte einmal der ägyptische Chemiker und Träger des Alternativen Nobelpreistes 2003 Ibrahim Abouleish. Es bräuchte im Lehrbetrieb mehr Kunst und Philosophie, um das Potential zur Veränderung zu befördern, „unser Bildungssystem ist bloß auf Wissen und Denken fixiert“.
Ja hoppla, ist es nicht das, was wir tun sollen: wissen und denken?
Nobelpreiskollege Nicanor Perlas von den Philippinen, der sich für eine gerechte Globalisierung einsetzt, sieht die Gefahr, „dass Bildung heute nicht den Menschen, sondern der Wirtschaft, der Technologie und dem Markt dient“. In vielen Bildungsinstitutionen würden lediglich Fertigkeiten vermittelt, die Heranwachsende benötigen, um im globalisierten Wirtschaftssystem bestehen zu können und sich „angepasst in einer materialistischen und technisierten Welt zu verhalten“.
Ich treffe in Gesprächsrunden immer wieder junge Menschen, die gegen die heimischen Bildungssysteme rebellieren (oder sich gar ausklinken), weil sie den Verdacht haben, dass die dort vermittelten Methoden nur zeigen, wie man noch schneller in eine Sackgasse fährt.
Was zukunftstauglich ist, weist wohl erst die Zukunft. Doch was machen wir bis dahin? Nicht mehr denken und nichts mehr wissen wollen? Vielleicht sollten wir geistigen und spirituellen Elementen in der Bildung wieder einen höheren Stellenwert zuweisen. Dann könnten Werte gebildet werden jenseits des Materiellen – höhere Werte, die eine wichtige Voraussetzungen für gesellschaftliches und ökologisches Engagement sind. Das Ziel jeder nachhaltigen Bildung muss sein, „wahrhaftig Mensch zu werden“, betont Nicanor Perlas. „Zu verstehen, wer wir sind und was unsere Aufgabe in der Welt ist.“
Wie das konkret gehen kann, zeigt vielleicht die schwedische Studentin Tania Zuur, die einer internationalen Gruppe von jungen Menschen angehört, die ihr Studium fern von universitärer Institutionalisierung selbst organisieren: „Jeder muss für sich seine Frage, sein Thema finden, dann sucht er sich den Ort und den Lehrer, von dem er etwas lernen kann“. Wichtig ist ihr dabei vor allem, sich selbst zu entwickeln; ein Hochschuldiplom findet sie hierfür überflüssig.
Da stellt sich die Frage, welche Rolle Universitäten dann noch im Bildungsprozess spielen. Sind sie nur noch „Fabriken, in denen kulturelle Klone produziert werden“, wie Rául Montenegro, Umweltaktivist aus Argentinien, einmal meinte?
Wollen wir überhaupt noch etwas wissen, oder nur noch etwas werden? Ist Bildung heute noch ein Bestandteil der Kultur oder nur noch der Ökonomie? „Du sprichst so oft davon, wie herrlich es sei, einen guten Kopf zu haben, und wer will’s leugnen, dass das auch seine Bedeutung hat?“, meint der dänische Philosoph Sören Kierkegaard, „und doch glaube ich fast, dass man sich das selber geben kann, wenn man will. Gib einem Menschen Energie und Leidenschaft, und er ist alles.“