Satire aus der Zeitschrift GASTRO, 90er Jahre

„Würg“, sagte Fred und spuckte meinen Wein aus. Der Strahl traf seine Leinenhose und mich ins Herz. Aber so begann ich, mich mit dem Rebensaft zu beschäftigen.

Anfangs verstand ich das Lamento meines Freundes Fred nicht ganz, schenkte ich doch seit Jahr und Tag ein Getränk unter der Bezeichnung Wein aus. Und zwar in den Farben Weiß und Rot. Aber vor einiger Zeit begannen die Leute, eigentümliche Fragen zustellen. Zum Beispiel, wie alt der Wein sei. „Ganz frisch“, pflegte ich zu antworten, „bei Bronski gibt´s keine abgestandenen Sachen.“ Daraufhin bestellten sie Pfefferminztee. Nachdenklich wurde ich, als ein Gast starren Blickes ohne Gruß und ohne zu zahlen meinen Restaurationsbetrieb auf ewig verließ. Dabei hatte er bloß die zu hohe Temperatur eines Achterls Rot beanstandet, worauf ich einen Eiswürfel in seinem Glas versenkte.

So geht das nicht, meinte Fred und hielt einen ergreifenden Vortrag über Weinkultur. Er beschwor die Tradition, schwärmte von edlen Gewächsen und formschönen Gläsern, nannte einige Weine „blumig“, andere „breit und erdig“; kurzum: er redete irre. Da er aber ein guter Freund war und außerdem beim Leben seines verstorbenen Hundes schwor, dass ein Minimum an Weinpflege meine Umsätze verdoppeln würde, wollte ich ihm den Gefallen tun.

„Was soll das heißen: ein Viertel Rot?“, pfauchte ich meinen nächsten Gast an. „Das ist ein Dumpfsteiner Saurüssel. Farblos im Glas, traurig im Abgang, lang anhaltend in der Leber.“ Wie man sieht, hatte ich mich vorbereitet. Der ungebildete Trinker hingegen stutzte kurz und meinte dann: „Na schön Bronski, bring mir halt ein Viertel von dem üblichen Gschladder.“

„Gschladder“, ist ein unnachahmlicher wienerischer Ausdruck, der meinen Wein vortrefflich charakterisierte. Mein Wein wäre ja auch zum Weinen, assistierte Fred und stellte für mich eine Weinkarte zusammen. Dann zwang er mich, eine Beschreibung der unnötig zahlreichen Weinsorten auswendig zu lernen. Saubere, zarte Nase, pikant, eher grob, Apfelduft, schmalzig und voluminös. Ich gab ihm zu verstehen, dass ich mir so eher meine Kellnerin als einen Wein vorstelle.

„Herrgott Bronski“, schrie er und setzte einen Doppelnelson an. Das ist kein Wein, sondern ein unangenehmer Würgegriff. Derart eingeschnürt musste ich ihm schwören, Bouteillenweine offen auszuschenken, eine Weinkarte zu führen und die Weinsprache zu lernen.

In Windeseile verbreitete sich die Fama von meinem vinophilen Niveau. Während sich am Stammtisch interessante Diskussionen entspannten („Ich dachte, der heißt Eiswein, weil man ihn mit Eis trinkt“), beriet ich die feinen Damen in Sachen Beerenauslese: „Ja, gnä´ Frau, das waren faule Beeren. Es ist aber noch ein recht passabler Wein daraus geworden.“

Ab und zu gab es noch kleine Missverständnisse. Als ein Herr fragte, ob ich auch einen Cabinet führe, hielt ich ihn für eine Delegation der Baupolizei. Mit meiner Antwort – „Zimmer, Küche, Kabinett; alles da“ – konnte ich nicht reüssieren.

Leider vertrieb ich auch einen meiner besten Stammgäste durch Unachtsamkeit. Ich stellte Milzriß-Johnny, den ich schon länger nicht gesehen hatte, ein Achterl vom Feinsten auf den Tresen, klopfte ihm anerkennend auf die Schulter und meinte: „Wirklich ein toller Ausbruch!“ Er zuckte zusammen und machte einen trockenen Abgang.

Alles in allem zollte mir Fred Respekt. Er meinte zwar, dass ein so trockener und reintöniger Chardonnay etwas verliert, wenn man ihn in einem Einsiedeglas serviert, aber im großen und ganzen erwiese ich mich als „charmant und zukunftsträchtig“.

Mein liebend Weib war mit der Zeit etwas genervt, als ich ihr mal Reife und Opulenz, mal wirklich weiches Tannin beschied. Als sie mich mit einem langen und attraktiven Gewächs erwischte, platzierte sie eine wunderschöne Karaffe auf meiner etwas cognacgetönten Nase. Aber weil sie saftig und nobel ist, mit einem Bukett nach Zuckererbsen, verzieh sie mir.

Die Umsätze waren bald voll Frucht und Kraft. Ich umarmte Fred ausladend und muskullös, bis sein Gesicht – sonst feingliedrig und frisch mit einem Hauch von Marille – ein helles Strohgelb annahm. Meine anderen Freunde meinten zwar, meine Sprache hätte Fremdton angenommen, wäre unklar, extraktschwach und flach, seltsam matt und ausdruckslos, aber das liegt daran, dass ich ein echter Vinothekar geworden bin, reich und voluminös. Diese elenden Neider lassen doch nur, bei allem Charme, Körper die Tiefe vermissen.

Nur ab und zu, wenn der Mond wolkenverhangen ist, und die Bohlen meiner Wirtschaft leicht in der Dunkelheit knarren, kann es schon sein, dass man eine Gestalt, die an Bronskis dichten, kompakten Körper erinnert, zum Tresen schleichen sieht. Die Gestalt putzt dann sorgsam den Staub vom Zapfhahn und ganz leise, samtig und reintönig, zapft sie sich ein Bier.