Satire aus der Zeitschrift GASTRO, 90er Jahre

Auf der Schneedecke tummeln sich endlich wieder Gäste. Unter der Schneedecke liegen meine guten Vorsätze begraben.

Neben einer ganz normal schlecht gehenden Gastwirtschaft vermiete ich auch Zimmer in einer sonst recht attraktiven Wintersportregion. Das Haus gehört meinem Gr0ßvater. Beide sind gleich alt und renovierungsbedürftig, was aber bis vor fünf Jahren keine Rolle spielte. Opa stecken wir im Winter in den Schuppen. Und den Winterurlaubern, an die wir sein Haus dann zimmerweise vermieten, war alles egal. Sie hielten mit klammen Händen ihre Feuerzeuge unter die eingefrorenen Wasserleitungen. Beim Wunsch nach Fließwasser schickte ich sie zum kleinen Bächlein hinter dem Haus. Weil sich die Toilette in einem Holzhäuschen draußen am Acker befand, verlangte ich entsprechend mehr für die Nächtigung, denn Abenteuerurlaub war gerade en vogue. Und zum Frühstück servierte ich pro Person zwei Scheiben Extrawurst und eineinhalb Tassen Malzkaffee. Nachbestellungen schlugen sich massiv auf die Rechnung nieder. Leute, die daran schuld sind, dass mein armer, kranker Großvater im kältesten Winter im Schuppen wohnen musste, hatten es nicht besser verdient. Viele andere Zimmervermieter – auch solche ohne Großväter – hielten es ähnlich. Am Stammtisch ließen wir unserer Wut freien Lauf. Wir tranken Bier und verachteten nach Herzenslust die Gäste, denen wir dasselbe Krügerl um den dreifachen Preis verkauften.
Dann zürnten mir die Götter. Der Schnee blieb aus.

Mit allem hatten wir gerechnet und alles hatten wir verrechnet. Aber gerade der Schnee! Der war doch wie Kurt Waldheim. Unschuldig weiß, weich und man konnte sicher sein, dass er nie zurücktritt.

„Wir müssen umdenken“, meinte Schurli mit belegter Stimme und versenkte sich sogleich nachdenklich in sein Weinglas. Schurli hatte es auch erwischt. Er war gefeierter Marketingmanager bei einem bekannten Skierzeuger. Ihm sind die speziellen Trainingskurse zu verdanken, in denen die Skirennläufer lernen, schon im Zielschuss die Brettln abzuschnallen, deutlich sichtbar hochzustemmen und sich irrsinnig zu freuen.

„Wenn wir nur je gedacht hätten“, gab ich zurück, „dann könnten wir jetzt umdenken.“ Aber er war ein Profi. „Wenn die Pisten aper sind, dann ruinieren sich die Leute lieber die alten Skier, anstatt neue zu kaufen“, diagnostizierte er. „Außerdem verliert der klassische Skifahrer ohnehin ein wenig an Bedeutung. Und wir müssen endlich aufhören, wie die Geistesgestörten Ski zu produzieren, mit denen man noch um eine Zehntelsekunde schneller die Leute niedermähen kann. Wir müssen stattdessen junge Ski machen, Familienski, Komfortski. Neue Wege finden.“
Es war erstaunlich wie das Ausbleiben des Schnees seine Ganglien anregte. Auch ich spürte schon einen leisen Druck in den Schläfen. Der konnte allerdings auch daher rühren, dass ich gerade an meinen Kontoauszug denken musste.

„Es wird eine Strukturbereinigung geben. Beinhart. Das wird auch dich treffen, lieber Bronski. So kleine, dreckige Absteigen wie die deine werden endlich in Komfort investieren müssen oder verschwinden.“ Dabei strahlten seine Augen im hellen Licht des Irrsinns. So also meinte er das, als er sagte, er würde den Winterurlaub bei mir nie vergessen. Danke Schurli. Demütige nur einen am Boden Liegenden.

„Er hat recht“, meinte mein liebend Weib, befreite Opa aus dem Schuppen und wir hielten Kriegsrat. Opa war sehr destruktiv: „Find´ ich gut, dass es keinen Schnee gibt.“ Mit soviel Altersstarrsinn war nicht zu verhandeln. Wir mischten Beruhigungsmittel in seinen Blasentee und beschlossen, in ehelicher Eintracht auf den nächsten Winter zu warten.
Ich konnte es einfach nicht glauben, als meine Bankzinsen auf die Höhe der Schneefallgrenze kletterten. Ein warmer Winter. Das Wasser fror nicht einmal in den Leitungen. Opa steckte sich zufrieden ein Pfeifchen an. Im dritten Winter ließ er den Schuppen abtragen. Ich war enttäuscht und verzweifelt. Mein geniales Marketingkonzept schien nicht aufzugehen. Es lautete: der Schnee muss kommen. Voriges Jahr disponierte ich um. Ich werde die Leitungen erden, Bad und Toilette in den Zimmern installieren, den Gästen Früchtekörbe in die Zimmer stellen und zu Winterwanderungen und Eislaufausflügen einladen. So versprach ich es dem lieben Gott und einem weinenden Fremdenverkehrsdirektor.

Da kann der Schnee zurück. Ich weinte Tränen der Freude. Mein Konzept war aufgegangen. Ich bin total ausgebucht. Erstmals wieder seit einer Ewigkeit. Trotz Klo am Acker, Schimmel an der Wand und Opa im Altersheim.

Schurli schenkte mir Rennski zu Weihnachten. Das neuest Modell. Superfetz-Belag mit doppelt gemoppelter Knochenfederung. Ein irres Geschoss. Geht weg wie die warmen Semmeln. „Schurli“, winselte ich ins Telefon, „wir haben gewonnen. Wir müssen nicht umdenken.“ Es ist eben alles nur eine Frage innovativen Marketings.