Theater Schlussszene mit Harald Koisser

Aus dem Theaterstück „Eros: So ein Theater, oder: Eine ganz Normale Affäre“ von Harald Koisser. Premiere im Jahr 2006 im Schlachthof Marx, Wien. Achte Szene. „Er“ und Maria über das Warum in der Liebe

Maria: Warum liebst du mich?

Er: Maria, mein Schatz, ich liebe dich, weil … Weil du so einen herrlichen, großen Hintern hast.

Sie: Warum noch?

Er: Weil du so eine weiche Haut hast.

Maria: Warum noch?

Er: Weil du ein Hase bist.

Maria (leicht indigniert): Ein Hase?

Er (bestätigend, und sehr vertieft in sein Bemühen, die Dame zu umarmen): Ein Hase, und was für einer.

Maria (sachlich): Ein Hase mit weicher Haut und Riesenhintern. Das liebst du.

Er: Ja, das liebe ich. Aber wieso „Riesenhintern“; ich habe nichts von einem Riesen gesagt.

Maria: Wie ist ein Hase?

Er: Wie du.

Maria: Wenn ich einen kleineren Hintern hätte, würdest du mich nicht lieben?

Er: Nein, auf keinen Fall.

Maria: Ernsthaft!

Er: Himmel, Maria, Hase, natürlich liebe ich dich auch mit einem kleinen Hintern. Auch wenn er klein wie eine Erbse wäre.

Maria: Es ist dir also völlig egal wie mein Hintern ist?

Er: Äh, nein, völlig …

Maria: Ihr Männer seid alle gleich. Hauptsache ihr könnt euren Penis irgendwo hineinstecken. Irgendwo. Ganz egal. Ob Riesenarsch oder faltiger Erbsenhintern, Orangenhaut, Zahnfleischschwund, … ist doch alles egal.

Er: Himmel, was soll das jetzt?

Maria: Warum erzählst du mir, dass du mich wegen meines Hintern liebst, wenn er dir doch eigentlich egal ist?

Er: Mir ist dein Hintern nicht egal! Ich liebe ihn. Ich liebe Dich nicht wegen deines Hintern, ich liebe deinen Hintern wegen dir. Weil er zu dir gehört.

Maria: Na gut, aber warum liebst du mich?

Er: Weil du, weil, … Das kann doch wohl keine ernste Frage sein.

Maria: Na und ob.

Er: Du spinnst ja.

Maria: Wir reden über das, worum es überhaupt geht im Leben und du sagst, ich spinne. Ich will eine einfache Antwort auf eine einfache Frage.

Er: Eine einfache Frage? Ha! Stell mir eine x-beliebige andere Frage. Ganz egal welche. Und ich schwöre dir, sie ist einfacher. Jede.

Maria: Na schön. Dann erklär mir, wie das Turboloch entsteht oder ein Wurmloch, (leise:) Arschloch

Er: Was soll ich dir zuerst erklären? Das Turboloch, das Wurmloch oder das Arschloch? (Pause) Schatz, Hase, was ist denn? (umfasst sie)

Maria (weint): Gibt’s denn gar kein Warum? Weißt du gar nicht, warum du mich liebst?

Er: Doch, doch, … nein. Nein, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich habe überhaupt keine Ahnung, warum ich dich liebe. Äh, nein, ich meine das nicht so wie es klingt. Ich liebe dich, aber ich weiß kein Warum. Zumindest jetzt so schnell nicht. Warum, warum ist das so wichtig?

Maria: Gib mir irgendeinen Grund, irgendeinen. Bitte, irgendetwas, an das ich mich anhalten kann. Wenn du sagst: Das ist es!, dann werde ich darauf aufpassen. Dann weiß ich, was ich tun muss, worauf ich achten muss, damit es hält. Dann ist es nicht einfach nur da wie eine Brandung im Kopf, wie ein Stich im Herz, wie ein Ziehen am ganzen Körper, wenn ich alleine bin. Dann hat es einen Namen bekommen, einen Körper, eine Ursache. Und darauf kann ich aufpassen wie auf einen kleinen Schatz, damit ich es nicht verliere.

Er: Hase! Hase! Ich glaube, du wärst sehr, sehr unglücklich, wenn ich dir einen Grund oder zwei oder sogar tausend nennen würde. Du wärst sehr, sehr unglücklich.

Maria: Nein, ich wäre froh.

Er: Nein, du wärst sehr unglücklich. Denn du willst nicht wegen A, B und C geliebt werden. Niemand will das.

Maria: Doch, ich will das. Ich wäre froh.

Er (lacht): Dafür! Dafür liebe ich dich. Dass du die Liebe halten willst. Das ist schön. Das ist doch ein Grund, oder? Jetzt hast du einen Grund. Ich liebe dich, weil dir diese Liebe wichtig ist und du sie unbedingt halten willst. Wenn du damit nicht aufhörst, dann höre ich auch nicht auf, dich zu lieben. Einverstanden? Okay?
(Er wiederholt diesen Satz nun öfter)

Er: Ich höre nicht auf, dich zu lieben.
(Erst klingt es zärtlich, doch bald wird der Satz zu einer Drohung, einer Verwünschung, einem Schrei. Währenddessen erhebt er sich, geht aus der Situation mit Maria heraus)

Er: Je weniger Warum, desto mehr Liebe. (Pause) Aber es gibt immer ein Warum. So sind wir Menschen. Wir sind nicht so selbstlos und wir sind nicht so ahnungslos wie wir tun. Ich habe mich in Maria, meine Frau, verliebt, weil sie die erste war, die mir einen geblasen hat. Ja, verdammt, das war so. Ich war jung, habe zwei Beziehungen gehabt. Mein Gott, „Beziehungen“. Als Schuljunge ist alles eine Beziehung, wo man sich ein zweites Mal trifft. Ich hatte Sex gehabt mit Mädchen, das schon, aber wir haben uns eher berührt wie bei einem medizinischen Experiment. Sehr vorsichtig. Die Anita hat so ein aufschäumendes Zeug genommen, sie war da unten wie ein Wattebausch. Agen53 hieß das Zeug. Und ich sicherheitshalber noch ein Präservativ, das ich mir heimlich unter der Bettdecke übergestreift habe. Und das alles immer nur an den unfruchtbaren Tagen.

Da ist die Maria anders gewesen. Sie hat wie selbstverständlich beim ersten Rendezvous meine Hose aufgemacht. Das hat mich sehr beeindruckt. Das war neu, direkt. Ich war von Marias Spontanietät beeindruckt und dem guten Sex. Darum bin ich bei ihr geblieben. Und dann habe ich langsam begonnen, sie zu lieben. Aber erklär’ das mal jemandem. Soetwas gesteht man ja nicht einmal sich selbst.

Und die Maria ist bei mir geblieben, weil ihre beste Freundin sich auch gerade einen Freund für eine Be-
ziehung gekrallt hatte. Und das wollte die Maria auch und ich bin gerade recht gekommen. So ist das mit dem Warum ganz am Anfang. Es ist immer eines da. Wenn dann die Liebe kommt, schämen wir uns für das allererste Warum und vergessen es. Und wenn die Liebe nicht kommt, werfen wir es dem Partner irgendwann einmal vor.

Essen wird aufgetragen: Lammrippe mit Estragonapfel
(archaische Versuchung, wird ohne Messer gegessen)
begleitet von Hales Shiraz 2004