Der Esel und der Elefant hatten wieder einmal gestritten, ziemlich heftig sogar. Es war ja nicht das erste Mal gewesen, aber diesmal reichte es dem Esel. „So ein sturer Dickhäuter“, dachte er, „Blödrüssel! Zirkustier!“ Solche Sachen fielen dem Esel ein und man darf annehmen, dass er zurecht aufgebracht war.
Diesmal war der Esel sogar sehr aufgebracht und er konnte den Gedanken an den blöden Elefanten gar nicht aus dem Kopf bekommen. Der Gedanke war wie ein großer Ballen Stroh und der Esel begann, diesen Ballen Stroh herumzutragen. Anfangs trug er ihn einfach so herum, dann trug er ihn dem Elefanten sogar nach. Der Esel war von seinem Naturell her ein bisschen nachtragend und so war es ganz natürlich für ihn, dem Elefanten diesen Ballen Gedankenstroh nachzutragen. Er trug ihn am Morgen beim Aufwachen, zu Mittag, wenn es heiß war, und sogar am Abend, als er ohnehin schon müde war. Es ist nicht leicht, jemandem etwas nachzutragen, wenn man schon müde ist. Aber der Esel schaffte das. Wo käme man da auch hin, würde man das nicht tun? Was glaubte denn der Blödrüssel eigentlich?
Um die Wahrheit zu sagen, glaubte der Elefant gar nichts und er wusste auch nichts davon, dass der Esel ihm etwas nachtrug. Der Elefant lebte sein bedächtiges Elefantenleben, rieb sich an Bäumen, paarte sich ab und zu und blies Wasser aus seinem Rüssel. Es ging ihm offen gestanden recht gut und er dachte kaum an den Esel.
Der Esel hingegen dachte doch recht oft an den Elefanten, was ja auch verständlich ist, wenn man bedenkt, dass er ihm dauernd etwas nachtrug. Die Last machte sich bald bemerkbar, vor allem weil der Esel auch anderen etwas nachtrug. So war er eben, der Esel. Und er begann sich zu ärgern. Da trug er dem Elefanten etwas nach, etwas echt Schweres sogar, und dem schien es gut zu gehen. Der rieb sich einfach an Bäumen, paarte sich ab und zu und blies Wasser aus seinem Rüssel.
Der Esel bemühte sich noch mehr und trug es dem Elefanten noch mehr nach. „So, da hast du es!“, sagte er, und: „Da siehst du, was du davon hast!“ Aber der Elefant sah es nicht und hatte nichts und nahm das, was der Esel ihm da nachtrug, nicht an.
„Was machst du denn für ein saures Gesicht?“, fragte die Schildkröte den Esel eines Tages. „Ja, siehst du denn nicht, wie schwer ich zu tragen habe?“, antwortete der Esel. „Aber du trägst ja gar nichts“, sagte die Schildkröte und rieb sich die Augen, weil es ja sein konnte, dass sie vielleicht irgendetwas am Rücken des Esels nicht gesehen hatte. Aber nein, da war nichts. „Und es ist so ein schöner Tag“, setzte sie hinzu, „magst du nicht mit uns schwimmen gehen? Der Elefant ist auch schon unten am See.“
„Ah, der Dickhäuter, der Elende“, schnaubte der Esel, „der ist doch Schuld, dass ich so schwer trage.“
„Ja, was trägst du denn?“
„Ein schweres Los!“, brüllte der Esel.
„Lass es doch einfach hier fallen“, sagte die Schildkröte, „hier im Schatten liegt es gut und wartet auf dich. Und du kannst mit uns schwimmen gehen.“
„Was?“, wunderte sich der Esel, „einfach so fallen lassen?“
„Warum nicht?“, sagte die Schildkröte, „wenn du dich entschieden hast, dem Elefanten etwas nachzutragen, dann kannst du dich auch dafür entscheiden, damit aufzuhören.“
Das kam dem Esel sehr klug vor. Man konnte es ja einmal probieren. Und er ließ sein schweres Los, diesen riesengroßen Ballen Gedankenstroh, an dem der Elefant Schuld war, einfach fallen. Hier im Schatten unter dem Olivenbaum.
„Du kannst es ihm ja später wieder nachtragen“, lachte die Schildkröte und drehte sich um. Der Esel ging ihr nach und fühlte sich leicht und unbeschwert. „Was bin ich doch für ein Esel“, dachte er, „nachtragend sein ist ja voll anstrengend“. Und je näher sie dem See kamen, desto weniger ging es ihm das schwere Los ab, das da hinten im Schatten lag.