Das erstaunliche Metaverse

24. März. 2023 | Die Zukunft wird digital. Nicht nur im Büro, sondern überhaupt. Das ganze Leben könnte sich, wenn es nach Leuten wie Mark Zuckerberg geht, bald im virtuellen Raum abspielen. Ich habe dieser Vision bisher nicht einmal ein Lächeln geschenkt, weil ich als analoges Wesen analog leben und lieben will. Jetzt habe ich mich durch einen Artikel im aktuellen Philosophie Magazin (3/2023, April/Mai) doch erstaunen lassen, wie der virtuelle Laden gerade läuft. Die nachfolgenden Punkte sind Exzerpte aus dem Artikel:

  • Studien zeigen, dass weiße Personen weniger offen rassistische Äußerungen tätigen, wenn sie sich zuvor in einem Avatar dunkler Hautfarbe verkörpert haben. (Anm.: „Virtuelle Verkörperung“ heißt es, wenn man einen Avatar nicht nur steuert, sondern temporär in einer digitalen Umwelt bewohnt).
  • Eine 21-jährige Frau gibt an, auf der Meta-Plattform „Horizon Worlds“ vergewaltigt worden zu sein. Ihr Avatar wurde in einen privaten Raum bedrängt und dort von zwei männlichen Avataren bedrängt.
  • Auf dem COP27-Klimagipfel 2022 erklärte Simon Kofe, Außenminister des Inselstaates Tuvalu, dass der Staat die erste digitale Nation werden möchte. Die höchste Punkt der Insel liegt gerade einmal fünf Meter über dem Meeresspiegel. Das Ende in der analogen Welt wäre abzusehen. Kultur, Wissen und Geschichte sollen nun im digitalen Raum bewahrt werden. Er ersuche um Anerkennung des digitalen Tuvalu in der Staatengemeinschaft.
  • Im Geschichtsunterricht könnte man im virtuellen Raum mit Schulklassen das „alte Rom“ nicht nur besuchen, sondern es von Grund auf errichten. Vom Aquädukt über das Steuersystem bis zur politischen Ordnung. Eine immersive Revolution des Geschichtsunterrichts.
  • Die deutsche Agentur David+Martin hat ein Projekt zum Schutz bedrohter Tiere durchgeführt. Für die zehn seltensten Tiere wurde eine NFT-Kollektion erstellt. Bei der Anzahl der verfügbaren Kunstwerke wurde die Anzahl der noch lebenden Tiere der jeweiligen Art widergespiegelt. Der Erlös aus dem Verkauf der digitalen Kunstwerke (300.000 Euro) wurde für Tierschutzprogramme eingesetzt.
  • Haben wir den Zeitpunkt nicht längst hinter uns gelassen, an dem sich virtuelle und analoge Realität klar voneinander trennen lassen, fragt der Autor des Artikels, Dominik Erhard. Führen wir unser Leben nicht wenigstens zur Hälfte schon jetzt im digitalen Raum? Was sollte uns davon abhalten, den zweiten Schritt zu machen?

Ich lasse diese Infohäppchen unkommentiert wirken. Was spielt sich in Ihrem Kopf und Ihrem Gefühlshaushalt ab, wenn Sie das so lesen, geschätzte Leser*innen? Ist das gute Leben ein virtuelles Leben? Ich gehe jetzt auf ein Bier. Analog.