Zero Waste im GAIA Hotel

Das GAIA Hotel in Basel will es machen wie die Mutter Erde und null Müll produzieren. Ein Gespräch mit Co-Direktorin Selinda Geyer und ihrem Partner Luca (und dem müllverwertenden Colliehund Aramis). Das Gespräch führten Veronika Lamprecht und Harald Koisser im GAIA Hotel Anfang Juni 2019

Warum trägt das Hotel den Namen von Mutter Erde?

Luca: Ich habe chinesische Medizin studiert und vorher lateinisch und griechisch gelernt. Daher kenne ich alte Mythologie. Wir sind die neue Generation und wollen Mutter Natur zelebrieren. Wir bringen beste Produkte aus der Natur auf den Tisch. Und wir wollen den bestmöglichen Fußabdruck. Das GAIA Hotel ist der Versuch, einen Mikrokosmos zu schaffen, wo alle sich wohlfühlen. Naja, und natürlich ist der Name GAIA auch ein kleiner Gag in Bezug auf den Namen der Familie Geyer, der das Hotel seit vielen Jahren gehört.

Welchen Stellenwert hat Nachhaltigkeit in der Schweiz?

Selinda: Das Thema ist hier nicht so präsent wie etwa in Barcelona oder Florenz. Wir haben keinen Massentourismus, der den Schweizern Sorgen machen könnte. Wir sind eine exklusive Destination. Bei uns ist die Industrie im Vordergrund, wir haben viel Pharma und Chemie und Bankenwesen. Das Umdenken hat noch nicht stattgefunden.

Und doch gibt es das GAIA Hotel

Selinda: Die Gesundheit ist ein großes Thema und man beginnt, alles zu hinterfragen, wenn man Kinder hat. Bei uns hat es auch mit der Geburt der Tochter angefangen. Wir wollen ihr eine Zukunft hinterlassen. Ich habe angefangen, Pflegeprodukte für die Familie selber herzustellen.

Deo, Zahnpasta, Waschmittel, …?

Selinda: Ja, all das. Ich bin nicht abhängig von Produkten der Kosmetikindustrie. Ich habe nur Do-it-yourself Waschmittel. So eine Erleichterung. Ich muss keine Mittel einkaufen gehen. Kokosnussöl, Waschsoda, Bakingsoda, Essigsäure, essentielle Öle. Damit kann man so viel machen. Haarbalsam, Fleckenlöser, für hartnäckig Flecken in der Wäsche nimmt man Essigwasser. Das geht auch beim Geschirr: Essigwasser plus Zitronenöl. Das riecht auch gut. Wenn ich daran denke, was wir früher alles für Flaschen herumstehen hatten! Ja und wenn man das in einem Haushalt machen kann, dann kommen auch Ideen für ein Hotel. Ein Hotel ist einfach ein größerer Haushalt.

Sie führen ein Familienhotel. Ist diese Orientierung auf GAIA leicht gegangen?

Selinda: Für meine Eltern war das schwer nachvollziehbar. Diese Generation versteht das nicht. Für die zählt Aufbau. Die meinen, uns geht’s so gut und wir haben so viele Optionen und deshalb spielen wir mit Nachhaltigkeit. Wie eine verrückte Spielerei. Unsere Generation sieht das anders. Wir haben uns von der Natur entfernt und Missmanagement betrieben. Das müssen wir korrigieren.

Wie ist das Einvernehmen mit den Eltern gelungen?

Selinda: Sie sehen, dass sich Qualität verbessert hat. Der Aufwand ist wohl teilweise größer, aber wir lukrieren Einsparungen. Und die Sprache des Geldes versteht jeder hier.

Ist die Nachhaltigkeit ein Vorteil im Marketing?

Selinda: Es ist wirklich keine einfache Zeit hier in Basel. Es gibt immer mehr Hotels. Wie überall in gesättigten Märkten. Die Immobiliengesellschaften vermieten ihre Flächen nicht mehr. Es gibt Homeoffice mit Cloudarchitektur. Die Leute brauchen kaum noch Büros. Und Retail funktioniert nicht mehr. Alles geht online. Das bedeutet, dass all die Super-Bauten leer stehen. Und was fällt ihnen da ein? Na, dann machen sie halt ein weiteres Hotel, das niemand braucht. Kopenhagen bekommt auf diesem Weg gerade 5000 Zimmer zusätzlich. Wie soll das gehen? Das schafft der Tourismus nicht, die zu füllen.

Was bedeutet es für Euch?

Selinda: Noch mehr ausrichten auf Nachhaltigkeit. Noch schärferes Profil zulegen. In unserem Häuserblock ist ein McDonalds eingemietet. Papa hat damals mit McDonalds einen 30-Jahre-Vertrag abgeschlossen – bis März 2020. Wir haben den Vertrag jetzt gekündigt. Wir wollen eine Gastro, die zu uns passt. Gerne Systemgastro, aber etwas Passendes.

Was ist der größte Hebel, wo man ansetzen kann, um ein Hotel zur Nachhaltigkeit zu führen?

Selinda: Ich bin ja auch in der Klassifikation von Hotels tätig. Da bin ich viel unterwegs und klassifiziere. Da gibt es Definitionen von „Komfort“ und „gehoben“, die keinen Sinn mehr machen. Slippers, Minibar, einzeln abgepackte Snacks und Speisen. Was soll daran „gehoben“ sein? Vielleicht braucht es auch keine Rezeption im klassischen Sinn mehr. Die Hotellerie muss neu denken. Die Welt ändert sich so schnell.

Wo habt Ihr im Hotel denn angesetzt?

Selinda: Beim Kleinverpackten. Das war das Einfachste. Butter, Konfitüre. Das war immer alles für eine Person abgepackt. Sozusagen eine Servicedienstleistung im Namen von Hygiene und Komfort. Das ist mit dem Individualismus gekommen. Jeder darf seine eigene frische Konfitüre haben. Das haben wir geändert.

Luca: Wir haben dadurch so viel Müll reduziert. Ich bin ja hier der Garbage Boy und kümmere mich um den Müll. Jeden Tag hatten wir eine große Tonne voll gemischtem Müll. Jetzt brauchen wir zehn Tage, um eine Tonne zu füllen. (lacht und deutet auf den Colliehund zu seinen Füßen) Und Aramis hilft uns dabei. Er entsorgt täglich 300 g Reste von Käse und Fleisch. Schon 2017 waren wir nur noch bei 18% Müll, der nicht mehr recycelt werden kann. Jetzt wollen wir unter 10%. Unser Ziel ist Zero Waste.

Wie holt Ihr das Team an Bord?

Selinda: In Amerika würde man das ganz hard core neu „branden“ und alle zwingen, dass sie sich anpassen, ohne irgendwelche Hintergründe zu erklären. Das machen wir sicher nicht. Wir reden, reden, reden. Reden braucht Zeit. Die muss man sich nehmen. Wir haben auch mehrere WhatsApp-Gruppen. Und wir schauen uns gemeinsam andere Hotels an und was die tun und es macht uns stolz, wie wir das machen. Das darf einfach mit der Zeit wachsen.

Luca: Man muss schon sagen, dass viele Mitarbeiter geweint haben, als wir auf Bio umgestellt haben. Wirklich geweint. Die hatten Angst, dass keine Gäste mehr kommen.

Selinda: Im Team hat sich viel getan. Jetzt besprechen das die Zimmerfrauen, wenn Gäste viel Abfall machen.

Wie hat es denn angefangen?

Selinda: Wir haben einen TED-Talk gesehen. Da hat eine junge Dame eine Glasbox mitgebracht und gesagt, das ist ihr Trash von den letzten zwei Jahren. Das hat mich tief beeindruckt. Ich dachte, das will ich für unser Hotel.