Informationsgewitter – Medien und das Unerträgliche

Wir leben in einem Informationsgewitter. Davor müssen wir uns schützen. Und sei es, indem wir komplett auf Medienkonsum verzichten

Die Medien servieren uns ununterbrochen Aufregungen. Das machen sie nicht aus bösem Willen. Es ist ihr Unternehmensgegenstand. Sie verbreiten „Nachrichten“. Eine Nachricht ist alles außerhalb der Norm. Sie beleuchten das Bizarre, Schreckliche und Ungewöhnliche. Es sorgt für Emotion, Empörung, Verblüffung, … Aufregung eben.

Medien berichten über Ausnahmen

Das Ungewöhnliche heißt so, weil es nicht gewöhnlich ist und sehr selten vorkommt. Es sind also statistische Ausreißer, über die berichtet wird. Während in einer Statistik solche Ausreißer geglättet werden und im Gesamtergebnis nicht signifikant erscheinen, werden sie in den Medien zum Normfall. Medien sind prallvoll mit Ungewöhnlichkeiten, Morden, Vergewaltigungen, Abstrusitäten und Krieg. Medien sammeln Ausnahmen. Sie berichten über das Irre und das Unerträgliche. Konsumiert man Medien, so entsteht der Eindruck, dass die Welt genau so ist: irre und unerträglich. Es entsteht eine Wahrnehmungsverzerrung. Aber nicht die Welt ist so, Medien sind so.

Wir haben eine Vertrauenspanik

Und Social Media ist ganz besonders so. Facebook & Co. leben von unserer Aufregung. Je aufgeregter wir sind, desto mehr interagieren wir und das freut die Algorithmen. Das freut die Werbung. Hassbotschaften sind, merke ich, in Social Media daher höchst willkommen. Social Media fördert die unangenehmen Seiten in uns Menschen.

All das das muss man erst einmal aushalten.

Und jetzt hat sich auch noch die Medienlandschaft radikal verändert hat, was ja nur die älteren Menschen merken. Ich zitiere aus dem Newsletter von Florian Klenk vom 17. Oktober 2023:

Wir erleben eine „Vertrauenspanik, weil sich die Kommunikation innerhalb der Gesellschaft durch soziale Medien radikal geändert hat. Unsere Gehirne können das Informationsgewitter nicht mehr einordnen, Widersprüche nicht mehr auflösen, die Wahrheit nicht mehr finden.“

Man „googelt nach Lösungen und landet oft bei jenen, die die einfachsten bieten, die emotionalsten oder verführerischsten. […] Stellen wir uns vor, wir seien wie Dornröschen vor 30 Jahren in einen Schlaf verfallen und heute wieder aufgewacht. Wie war unser Medienkonsum damals?

Das Testbild im Fernsehen hat den Informationsfluss gestoppt

Vor 30 Jahren sendete der ORF auf FS1 und FS2 durchgeschaltet die Zeit im Bild. Das Mittagsjournal war auf Ö3 und Ö1 eine ganze Stunde zu hören, rund 4 Millionen Menschen haben die Krone gelesen. Es gab kein Internet und natürlich keine E-Mails, ja nicht einmal Privatfernsehen und Privatradio waren erlaubt. Es gab nur von Journalisten kuratiertes öffentlich-rechtliches TV. Und wenn das Testbild lief, war der Informationsfluss gestoppt.

Mein Medienkonsum damals? [Anm.: nicht nur der von Herrn Klenk, auch meiner!] Ich habe den Standard gelesen, zu Mittag Radio gehört und bei meiner Oma in der Krone geblättert, um den „Staberl“ zu lesen, einen gehässigen Kolumnisten, der Haider verehrte. Am Montag hatte ich mir das profil gegönnt, um Hintergründe zu erfahren und manchmal im Spiegel meines Vaters geblättert. Einige wenige Journalisten, die meisten Experten auf ihrem Gebiet, hatten uns die Welt erklärt. Und das gar nicht so schlecht.

Diese Welt ist untergegangen.“

Im Zweifelsfall: keine Medien zu konsumieren. Immer noch besser, als alles zu konsumieren

Was tun? Wir können die vergangene Welt nicht wieder auferstehen lassen. Aber wir können unsere eigene Welt gestalten. Ich habe keine Tipps, aber ich kann sagen, was ich selbst mache.

  • Ich sehe seit fast zwanzig Jahren nicht mehr fern. Ich suche aus den Mediatheken Reportagen, die mich interessieren.
  • Ich habe von vielen Medien newsletter abonniert. Dort überfliege ich die Headlines und suche ich nach Nachrichten, wo etwas gelungen ist.
  • Wenn ich selbst Artikel oder Bücher schreibe, so suche ich nach „dem Guten“. Ich prüfe, ob es eine gute Conclusio/ein Learning gibt.
  • Ich treffe mich mit Freunden im wirklichen Leben und wir reden über uns. Wir erzählen einander, wie es uns geht. Dabei führen wir nicht immer tiefsinnige Gespräche. Aber wir führen Gespräche!
  • Ein Buch ist auch ein Medium. Ich lese lieber 500 Seiten statt 500 Postings.
  • Es gibt Medien, Zustände, Menschen, …, die mir spürbar Energie abziehen. Ich meide sie.
  • Ich schlendere ein wenig auf Facebook herum. Alles andere schaffe ich nicht. Ich habe einen Linkedin-Account und sammle monatelang die Kraft, um dort nachzuschauen. Es lohnt nie. XING habe ich bereits erfolgreich verlassen, alles andere nie betreten. Das ist überhaupt keine Wertung der jeweiligen Plattformen. Ich bin einfach quantitativ überfordert. Ich könnte genauso gut in LinkedIn herumschlendern und Facebook meiden. Wichtig ist nur, dass ich das Meiste vermeide! Jeder Raum, den ich betrete, fordert meine Präsenz. Ich habe nur ein Leben.
  • Auf Social Media vermeide ich, in Posting-Kriege einzusteigen, oder solche gar zu entfachen.

Im Zweifelsfall empfehle ich, überhaupt keine Medien zu konsumieren. Das ist immer noch besser, als alles zu konsumieren. In beiden Fällen weiß man nichts. Wer aber keine Medien konsumiert, ist glücklicher.

Oktober 2023