Satire aus der Zeitschrift GASTRO, 90er Jahre

Im einsamen, rauhen Kampf gegen Arbeitsmarktverwaltung und Steuer ist mein Herz hart geworden wie die berühmten Semmelknödel meines liebend Weibes. Doch jetzt bin ich nicht mehr alleine.

Hilfreich unterstützt von meinem Personal reiteten die Beamten dieses Städtchens täglich wüste Attacken gegen mich. Sie gewannen praktisch jede Schlacht, nicht aber den Krieg. Ich setzte ihrer Weltfremdheit Verschlagenheit entgegen. Sie kamen mir dumm, doch ich war dümmer. Heute ist es mir ein Rätsel, wie ich aus eigener Kraft so dumm sein konnte. Wie ich nur all die schwierigen Entscheidungen in meinem Berufsleben aus eigenem Antrieb heraus nicht getroffen habe.

Begonnen hat es damit, daß Joschi mit einem Mercedes der S-Klasse vorfuhr. Dieses Gefährt verachte ich maßlos aufgrund seines heutzutage anachronistischen Gigantismus und auch deshalb, weil ich es mir nie werde leisten können. Wieso konnte Joschi, dieses Kretin?

Kein Problem, meinte er, er würde mich ein wenig beraten (Stundensatz: ÖS 1.600,–) und schon wäre auch ich jeglicher pekuniärer Sorgen enthoben. Er überreichte mir eine Visitkarte, auf der sich unter seinem Namen das Wort “Tourismus-Berater” gedruckt fand. Ich steckte sie erst einmal zu den anderen 300, die ich alleine im letzten Monat von diversen Bekannten erhalten hatte. Der Fremdenverkehrsdirektor vom Nachbarort, erst kürzlich schlagzeilenträchtig wegen latenter Unfähigkeit geteert, gefedert und gekündigt, hatte mir ein Kärtchen mit der Bezeichnung “Gastronomie-Trainee” untergejubelt. Die erste Beratungsstunde (ÖS 1.800,–) geht dafür d´rauf, diesen Begriff zu erläutern. Ein Beamter unserer Landestourismusstelle hat sich als “Managementberater” verselbstständigt, obwohl mich unsere bisherigen beruflichen Kontakte vermuten lassen, daß er “Marketing” – jetzt um ÖS 2.000,– pro Stunde – nichteinmal buchstabieren kann. Vielleicht steckt das Arbeitsamt hinter meiner beachtlichen Visitkartensammlung. Früher war man schlicht ein Arbeitsloser, dann mutierte man feinfühlig zum “Kunden” des Arbeitsamtes, jetzt bekam man die Bezeichnung “Touristik-Berater” zugewiesen.

Nachdem ich das durchschaut hatte, erfaßte mich Mitleid. Erstens mit Joschi, vor allem aber mit mir selbst. Joschi hörte sich meine Probleme an und dachte drei Beraterstunden lang nach. Dann erklärte er mir, daß ich ein Konzept brauche (10 Beraterstunden). Das Elaborat war sein Geld wert, denn es war die erste mir bekannte vollständige Platitüden-Sammlung, angereichert durch bunte, aussageschwache Balkendiagramme. Auf Seite 44 bestätigte Joschi schwarz auf weiß meine Vermutung, daß er für meine Probleme großteils nicht zuständig sei. Ich bedürfe eines Werbeberaters, eines PR-Beraters, eines Marketingberaters, ganz spezifisch eines Gastronomieberaters und einer Effizienzprüfung durch das unabhängige Mangementberatungsunternehmen seines Schwippschwagers. Er selbst würde die wichtige Koordinationsfunktion der Expertenrunde übernehmen.

Das erste Problem war die Erbsensuppe. Ich hätte sie – stumpfsinnig, wie es meine Art ist – einfach auf die Speisekarte gesetzt. Auf die gezielte Frage des Koordinators, was denn da dahintersteht und ob das denn in ein Konzept eingebettet wäre, konnte ich kaum meine Schamröte verbergen. “Die Gemüsepreise sind gerade günstig”, murmelte ich und erntete minutenlanges Hohngelächter der Experten (ÖS 4.550,–). Der PR-Berater klärte mich auf, daß die Kunden jedes Produkt hinterfragen würden. Ist es denn glaubwürdig, daß Bronski Erbsensuppe anbietet? Waren das glückliche Erbsen? Gibt es eine Erbsentradition im Haus? Der Werbeberater blühte auf (ÖS 1.000,–). “Wenn das eine Neueinführung ist, dann bringen wir es groß raus. Wir unterstreichen es dreimal lila in der Speisekarte. Lila ist ist gerade in. Wahnsinnig impactstark.” Der geschaßte Fremdenverkehrsdirektor und nunmehrige Gastronomie-Trainee poppelte gelangweilt in der Nase (ÖS 200,–) und der Marketingberater, ein ehemaliger Liftboy, wollte exakte Informationen über Gestehungskosten und Verkaufsspanne. Eine kurze Überschlagsrechnung brachte zutage, daß ich 64 Hektoliter Erbsensuppe verkaufen müßte, um alleine die durch das Projekt entstandenen Beratungskosten abzudecken. Wie gut, daß wir das durchdiskutiert hatten. Früher wäre ich blindlings in mein Verderben gelaufen.

Jo-mei, unser unseliger asiatischer Koch, brachte den entscheidenden Umschwung. “Alle hunglig”, freute er sich, “ich machen belühmte Flühlingslolle”. Zuerst war ich starr vor Schreck, doch dann ließ ich ihn zu seiner eigenen Überraschung gewähren. Erwartungsgemäß verstarben noch in derselben Nacht alle Experten an fürchterlichen Magenkrämpfen und abscheulichen Blähungen. Ich bezahlte Jo-mei ein fürstliches Beratungshonorar und eilte in die Druckerei, um für meine neue Funktion als “Gastro-Berater” Visitkarten zu ordern. Ungewiß ist nur, ob mein S-Mercedes getönte Scheiben haben soll. Können Sie mich beraten?