GeistLos

Diese Satire ist unter meinem Satire-Pseudonym Bronski im Magazin WEGE im März 2021 erschienen. Das Magazin stand unter dem Leitthema „GeistReich“

„Mein lieber Bronski, was hältst du als Außenstehender von diesem Leitthema ‚GeistReich’?“ Joschi verstand es immer, mit Verve ein Gespräch zu eröffnen.

„Da möchte ich mich mit Trudbert Wondraschek beratschlagen“, sagte ich und, damit Joschi seinen Mund wieder zubekam, erläuterte ich: „das ist der Name meiner namenlosen Dummheit. Sie mischt sich andauernd ein. Da dachte ich mir, ich muss ihr einen Namen geben. … Du hast Trudbert übrigens schon kennengelernt“, sagte ich, „erinnerst Du dich: Wir haben doch letztens Bier bei Dir getrunken. Und es war ein Bier zuviel. Ich wusste eigentlich, dass ich hätte aufhören sollen. Aber Trudbert hat noch eines bestellt und noch eines. Dann habe ich auf den schönen Teppich gekotzt, den du eben erst aus der Reinigung geholt hattest. Erinnerst du dich?“

Joschis Gesicht war zu Eis gefroren. „Ja“, knirschte er, „und du hast gesagt …“

„Nicht ich – Trudbert hat gesagt“, verbesserte ich, „dass ich etwas Schlechtes gegessen haben muss. Ich habe das Essen nicht vertragen.“

„Bronski, mein Freund“, sagte Joschi und ließ seine Fingerknöchel knacken, „ich wollte ein Mal, ein einziges Mal, einen geist-reichen Dialog mit Dir führen. Ich dachte immer, Dummheit wäre bloß ein belangloses Nebenprodukt am Weg der Vernunft.“

Soetwas hört Trudbert Wondraschek nicht gerne. Dieser unselige Primatanspruch der Vernunft seit der Aufklärung verletzt ihn tief. „Die Vernunft reißt uns in den Abgrund“, sagte er nun, „sieh doch nur, wo sie uns hingeführt hat.“

„Ich sehe es“, erwiderte Joschi, „schmerzfreie Zahnbehandlungen, hohe Lebenserwartung, Wohlstand.“

„Vernunft trennt, Dummheit eint“, dozierte Trudbert, „gerade jetzt fügt die Geistlosigkeit dem Planeten fantastische Schäden zu. Durch diese gemeinsame Apokalypse bekommen die Menschen erstmals überhaupt das Gefühl, Bewohner derselben Welt zu sein. Ist das nicht wunderbar? Es ist die Dummheit, welche die Welt einigt.“

Während meine Dummheit einen ihrer Monologe hielt, erklärte ich Joschi flüsternd, dass Trudbert Donald Trump für einen Engel hält, der die Menschheit erlöst. Trudbert wählt übrigens immer zuverlässig den dümmsten Kanditaten. Ich selbst würde das nicht wollen, beteuerte ich flüsternd, aber Trudbert ist es, der das Kreuz am Wahltag macht. Da kann man nichts machen. Trudbert ist auch derjenige, der im Kasino das Geld verspielt und diese haarsträubenden Verschwörungspostings auf Facebook macht – weil er feig ist unter meinem Namen. Ich selbst kann für all das nichts.

„Und stell dir vor“, flüsterte ich, „Trudbert will in die Politik.“

„Ist nicht wahr“, sagte Joschi.

„Als Politiker werde ich durch das Land ziehen und das Unheilbare heilen und das Unauflösbare auflösen“, schrie Trudbert. Er schien immer zu wissen, wovon ich gerade sprach und an was ich dachte. Keine Ahnung, wie der Typ das machte, „Ich werde ganz alleine Corona kurieren, indem ich Beschwörungen ausspreche, und Staatsschulden abbezahlen mit Geld, das niemals jemand verdienen muss. Kurz, ich werde …“

„Sagte er ‚Kurz’?“, flüsterte Joschi ehrfürchtig.

„Kurz, ich werde die tollsten Versprechungen mit der geringsten Einlösungswahrscheinlichkeit machen und niemals für irgendetwas Verantwortung übernehmen. “

Dann ließ er seine Blicke in die aus Joschi bestehende Runde gleiten. Mein Freund Joschi starrte mich an und sagte: „Ich wähle ihn. Ich kann nicht anders. Ich wähle ihn. Ich fühle, wie alles, woran ich glaube und was mir etwas wert ist, dahinschmilzt wie Schnee in der Sonne. Mein Hirn fühlt sich an wie ein nasser Laugenbrezel.“

„Sehr gut“, sagte Trudbert, „Ich gewähre dir zwei Wünsche.“

„Einen Ausländer, der an allem Schuld ist“, sagte Joschi mit einem Herbert Kickl-Blick.

„So sei es“, sagte Trudbert, „und was ist dein zweiter Wunsch?“

„Wolfgang Sobotka“, schrie Joschi in Ekstase.

„Jetzt“, flüsterte ich, „ist es, glaube ich, an der Zeit, dass auch Du deiner namenlosen Dummheit einen Namen gibst. Es ist ein großer Moment, wie er im Leben jedes Menschen kommt. Du hast das große Geist-Los gezogen. Damals im Paradies hat der Mensch den Tieren Namen gegeben. Alles hat er benannt. Doch nicht die Dummheit. Jetzt holen wir das nach. Joschi, ich frage dich, auf welchen Namen willst du deine abgrundtiefe Dummheit taufen?“

Joschi schluchzte und schrie es in die Welt: „Bronski!“