Frauen sind nicht von Venus und Männer nicht vom Mars. Wir alle sind von Gaia. Viele Menschen, insbesondere viele Männer, haben das vergessen.
Gilgamesh – das Problem der Männer mit Gaia
Gilgamesh und sein Freund Enkidu töten im Zedernwald den Waldgeist Chuwawa, der unter dem Schutz des Gottes Enlil steht. Gilgamesh fällt die Zedern, um daraus Stadtmauern anzufertigen. Die beiden töten schließlich auch den Himmelsstier. Es ist den beiden offenbar ein großes Verlangen, sich über althergebrachte Gesetze zu erheben. Die Götter lassen zur Strafe Enkidu an einem Fieber sterben. Da wird Gilgamesh sich seiner Sterblichkeit bewusst und er will unsterblich werden.
Wir können das Gilgamesh-Epos (3. Jahrtausend v.u.Z.) als Auflehnung des Menschen gegen die unbezwingbare Natur lesen. Vor den Göttern als Abbilder der Natur hat man Angst und begegnet ihnen mit Apathie und formelhaften Opferritualen. Geliebt wird hier nicht. Gilgamesh als „erster Kulturheld“ (Raoul Schrott) lehnt sich auf. Er will keine Angst haben, er will nicht unterworfen sein. Es ist der Beginn von Zivilisation. Zugleich ist „das Epos (auch) die Geschichte eines Unwissenden, der alle möglichen Fehler macht, weil niemand sich erinnert, wie man den Göttern dienen und im Einklang mit der (…) Erde leben kann.“ (Philipp Blom in: „Unterwerfung“)
Dieses Dilemma wird ab da konstituierend für die Menschheit. Und für die Männer, die nicht nur die Erde, sondern nach und nach auch gleich den zweiten Teil der Menschheit – die Frauen – unterwerfen.
Naturbeherrschung – eine mythologische Atombombe
Wir Menschen, allen voran die Männer, haben den Kontrakt gebrochen, haben die Ehe einseitig aufgelöst. „Der biblische Gedanke der Naturbeherrschung war so etwas wie eine mythologische Atombombe. Die Bibel des einzigen Gottes kennt nur eine tote Erde, …, die unbesetzt, ohne eigenen Willen und ohne Macht nur darauf wartet, unterworfen, gepflügt, besessen, verkauft, penetriert und befruchtet, gekauft und verkauft zu werden. Der Mensch (…) ist Herr über die Schöpfung.“ (Philipp Blom). Bis wir erkennen: Über Gaia zu siegen (ein männlicher Allmachts- und Albtraum), heißt alles verlieren.
Deus sive natura (Gott bzw. die Natur)
Das Makroskop (siehe den Text „Gaia und ich“), das Gilgamesh-Epos, mein unstillbares Misstrauen gegen die Bibel – das ist meine persönliche Gaia-Geschichte. Ich bin über alle dem kein Naturmensch geworden, der hinaus muss in die Wälder, um dort zu sich zu kommen. Ich bin vielmehr in Bücher und in mich selbst hineingekrochen und habe Gaia inwendig verstanden. Ich habe den Gott Spinozas, jenes „Deus sive Natura“, jene frei aus sich selbst tätige, in sich selbst seiende und durch sich selbst zu begreifende Natur. Ohne jene Angst, die Gilgamesh noch stellvertretend für die Menschheit überwinden musste.
Heute geht es für uns alle darum, unser Verhältnis zur Natur neu zu bestimmen. In allem, was wir tun, im Privaten, im Ökonomischen und Politischen. Dazu ein abschließender neo-mythologischer Gedanke.
Männer atmen die Welt durch die Frauen
Die Haltung eines Mannes gegenüber Frauen spiegelt seine Einstellung zur Welt und zum Leben. Daher sollte ein Mann die Frauen ehren. Alle Frauen, nicht nur die eigene. Eine ruhige, natürliche Demut vor dem Lebensspendenden hilft dem Mann, dem Leben an sich freundlicher zu begegnen. Es hilft dem Mann, sich selbst zu respektieren. Die hehrste Aufgabe des Mannes, der ja nicht selbst Leben spenden kann, ist es, Leben zu schützen. Das gibt der männlichen Energie ihren Sinn.
Die Frau wiederum darf sich erinnern, dass sie menschliche Repräsentantin von Gaia ist. Spirituell gesprochen sollte sie ihr göttliches Selbst annehmen und es verkörpern. Pragmatisch gesprochen geht es darum, die Energie des Behütens, Kooperierens und Kommunizierens zu kultivieren. Es sind Qualitäten, die wiedererinnert werden wollen. Dann werden sich Gaia und die Männer wieder ineinander verlieben.