Aus dem Magazin WEGE, 2016

„Sei die Veränderung, die du in der Welt sehen möchtest.“, sagte Mahatma Gandhi. Ich halte mich an diesen Spruch – und tue daher genau gar nichts, denn das ist es, was ich in der Welt sehen möchte: Ruhe, Frieden, Stillstand, keine Aufregungen, einfach alles morgen so wie heute und gestern.
Aber Gandhi hat gelogen! Es passiert nichts. Denn wäre ich die Veränderung, die ich in der Welt sehen möchte, dann wäre das Leben eine Sanddüne, ein absolut ruhiger, unaufgeregter Ort. Ich tue die ganze Zeit das, was ich in der Welt sehen möchte – nämlich nichts – aber ich bekomme es nicht zurück. Ich tu wirklich absolut gar nichts, und es geht rund da draußen. Diese ganze verdammte Welt ist in Aufruhr, Umbruch und Abbruch. Wer bitte will sowas?
Ich hab mir sogar extra zwei Wochen Urlaub genommen, um noch mehr und noch intensiver nichts zu tun. Ich habe aufgehört, den Geschirrspüler einzuräumen, die Betten zu machen und mich beim Pinkeln hinzusetzen. Ich habe mit meiner Frau den Sex eingestellt. Es ist ihr nicht einmal aufgefallen. Ich meine das mit dem Sex. Alles andere schon.

Ich hab sogar aufgehört, Hasspostings zu schreiben. Was soll ich denn noch tun? Bin ich denn bitte der Einzige, der sich tot stellt?… Das kann nicht sein. Der Ferdl sagt seit Jahren, er weiß von nichts. Der Bertl sagt, er war’s nicht, und der Joschi sagt, es geht ihn nichts an. Wenn wir vier nicht repräsentativ sind, dann weiß ich nicht. Es muss doch mehr Nichtstuer geben wie uns!? Wenn nicht, dann sehe ich schwarz.

Ich rufe daher alle Leser dringend auf, es bleiben zu lassen. Was? Fragt nicht, lasst es einfach bleiben. Es führt zu nichts. Das sieht man schon daran, dass es noch nie zu etwas geführt hat und auch nie zu etwas führen wird.
Bitte, liebe Mitmenschen und Mitmenschinnen, hört auf mit dem Aungaschieren. Wenn ihr euch so stark aungaschiert, versetzt ihr die Welt ständig in Aufruhr und Bewegung. Der Bertl hat gesagt, man muss so schreiben, in dieser weiblichen und männlichen Form, sonst verstehen das die Aungaschierten und Aungaschiertinnen nicht mehr. Bertl hat mir auch gesagt, wie man „aungaschiert“ schreibt. Und der Ferdl hat mir dann gesagt, was es bedeutet, und der Joschi, warum das ein Blödsinn ist.
Aber das wisst ihr, liebe Leserinnen und Leseriche, ja eh selber. Sicher habt ihr euch schon immer wieder mal ab und zu vielleicht für etwas eingesetzt und gemerkt: Es ist völlig sinnlos. Es bringt rein gar nichts. Also hört auf mit dem blöden Verändern und Herumtun. Ihr seht ja, was ihr damit anrichtet.

Sei die Veränderung, die du in der Welt sehen möchtest? So ein Schmarrn! Der eine will dies, der andere genau das Gegenteil – und was davon soll jetzt bitteschön wahr werden?
Wenn jeder nur mehr das täte, was er in der Welt sehen möchte, dann wär das Leben ein einziger, großer Veränderungskrieg. Dann gäbe es nur noch Extremismus: Sodomisten sodomieren, weil sie eine sodomierende Welt wollen. Massenmörder morden Massen, weil sie sich eine Welt wünschen, die Massenmord als Veränderungsmöglichkeit moralisch akzeptiert. Pädophile pädophilieren noch intensiver. Säufer saufen sich missionarisch die Hucke voll. Die Trotteln in Malta, die so gerne Singvögel abschießen, erschießen verbotenerweise noch mehr Singvögel, weil sie eine Welt wollen, wo das Schießen von Singvögeln wieder voll super ist… Alle wollen die Veränderung sein, die sie sich in der Welt wünschen und tun das auf Teufel und Teufelin komm raus, damit es auch wahr wird. (Nur die Veganer verenden einfach, je mehr sie veganen, und es gibt noch mehr Kühe auf der Welt.) Alle hauen sich also voll ins Zeug, weil sie die Veränderung für die Welt sein wollen – und darüber geht die Welt kaputt.
Drum, liebe Veränderer und Veränderinnen: Hört bitteschön endlich auf! Hört auf, euch selbst andauernd zu verändern. Hört auf, die Welt zu verändern. Weil ich pack es nicht mehr. Niemand packt das mehr.

Jetzt ist es sogar so weit gekommen, dass meine Frau die Koffer packt und auszieht. Sie muss was verändern, sagt sie. „Du auch, mein Schatz?“, staune ich, „Du willst also auch Bestandteil des Problems sein und nicht der Lösung?“ Mit einem triumphierenden Lächeln geht sie an mir vorbei, setzt ihren Fuß hinaus vor die Tür, direkt ins Chaos, das sie selbst nun ein Stück vergrößert hat, und sagt zum Abschied: „Ich hab dich geheiratet, weil ich dachte, ich kann dich verändern. Aber jetzt weiß ich es: Männer ändern sich nicht.“ Ich schreie ihr nach: „Und ich habe dich geheiratet, weil ich dachte, du änderst dich NICHT. Aber Frauen ändern sich!“

Dauernd hat sie die Wohnung umgekrempelt. „Ich kann diese alten Sachen nicht mehr sehen“, hat sie gesagt, dabei war noch das Preisschild dran. Weil ich es seit Jahrzehnten nicht entfernt hätte, sagt sie.
Warum muss man eine Wohnung ständig verändern? Ich verstehe das nicht. Als ihr erster Mann sie vor 20 Jahren verlassen hat, bin ich zu ihr gezogen und habe gar nichts an der Wohnung geändert. Wozu auch? Der Mann hatte Geschmack, ich hab sogar seinen Bademantel getragen. „Wie kannst du dich hier nur wohlfühlen?“, hat sie mich damals gefragt und begonnen, die Wohnung umzustellen, weil das immerhin jetzt „unsere“ war. Und nach gut einem Jahr ist schon wieder umgestellt worden. Und zu Weihnachten habe ich schon den fünften Bademantel bekommen, obwohl der vom Ex eindeutig der schönste war.
Ganz zu schweigen von der Ernährung! Von der ganz normalen, gottgewollten Schnitzelzufuhr sind wir über Makrobiotik, Vegetarisch, Vegan, Hay’sche Trennkost und einen Ausflug in die Steinzeitdiät (leider nur kurz) schließlich bei dieser blöden Null-Eins-Geschichte gelandet, wo man an einem Tag isst und am nächsten gar nichts isst. Das alles immer wieder untermalt von Krautsuppendiät oder Gesundheitsfastentagen. Die Null-Eins-Ernährung hat mir übrigens zehn Kilo plus eingebracht, weil ich an dem Tag, wo man essen durfte, für die kommende Hungerzeit vorsorgen musste.

Ich bleib dabei: Dieses ganze Unglück auf der Welt kommt nur davon, weil die meisten Leute nicht still halten können. Andauernd müssen sie irgendwas tun, das sie für wahnsinnig wichtig halten. Damit malträtieren sie dann andere, die darauf reagieren müssen – und schon geht’s los mit dem Geschiebe und Gerenne und mit lauten Stimmen und Manifesten und Demonstrationen, und ich kann nicht mal zum Lüften das Fenster aufmachen, weil es so laut ist.

Ich habe mich einmal verändert. Ja, wirklich. Das war im März 2003. Oberlippenbart abrasiert, Meinung geändert, zum Saufen aufgehört und sogar den Internetanbieter gewechselt. Alles auf einmal. „Bist du deppat“, hat der Ferdl gesagt, „geh leck“, meinte der Bertl und Joschi ist aus Verzweiflung über meine Änderung den kleinen Jakobsweg gegangen. Der geht vom Jakobsbeisl über den Hansiwirt, wo ein Kellner namens Jakob arbeitet, und dann zwei Mal um’s Eck zum Enrico mit den Jacobsmuscheln und dem guten Prosecco. Drei Mal ohne Pause ist Joschi den kleinen Jakobsweg gegangen. Dann habe ich klein beigegeben. „Bitte hör auf“, habe ich gefleht, weil ich wusste, er schafft es kein viertes Mal. Unmöglich. Niemand ist jemals den kleinen Jakobsweg vier Mal gegangen. Ich habe mich ganz schnell zurück geändert, um den armen Kerl zu retten. So ist das mit der Änderung. Es ist anstrengend und man verstört seine Freunde. Es lohnt einfach nicht.